SimBrace®, neue Scantechnik mit Korrektursimulation

SimBrace® ist ein innovatives Verfahren, das uns in der Orthopädietechnik ermöglicht die Funktion der Orthesen zu prüfen bevor sie für den Patienten angefertigt werden. Christian Kienzle, Orthopädietechniker-Meister und Leiter der Forschungs- und Entwicklungsabteilung bei der Firma Pohlig GmbH in Traunstein, erklärt, was sich dahinter verbirgt.

 Skoliose

 

Herr Kienzle, welche Vorteile bringt dieses neue Verfahren?

Der große Vorteil liegt darin, dass wir die Funktion der Orthese überprüfen können bevor wir sie erstellen. Bislang kam es auf die Erfahrung und das Geschick des
Orthopädietechnikers an oder auf die Qualität der CAD Simulation, die uns eine mögliche Lösung berechnet hat. Allerdings spielen hier so viele variable, unsichere Faktoren
mit rein. Beim händischen Gipsabdruck benötigen wir beispielsweise die Erfahrung vom Orthopädietechniker-Meister. Seine Einschätzung muss mit den tatsächlichen Vorrausetzungen wie Flexibilität, Achsen, Kräfte und vielem mehr übereinstimmen. Das mit Computersimulation erstellte theoretische Rechenmodell bezieht wiederum keine tatsächlichen Faktoren mit ein, wie z.B. die Flexibilität der Wirbelsäule, an welchen Stellen die Muskeln verkürzt sind und ob überhaupt eine Korrektur möglich ist. Auch die Bereiche, die sich korrigieren lassen, können nicht in die Simulation mit einbezogen werden.

Dies alles musste bisher an einer Orthese so lange optimiert werden, bis ein zufriedenstellendes Ergebnis vorlag – also bis die maximale Korrektur bzw. Funktion erreicht
war. Mit einem Simulationsgerät kann nun das optimale Ergebnis viel schneller und besser erzielt werden. Dank SimBrace® lässt sich die maximale Funktion bereits im Vorhinein erfassen. Bei der Anprobe ist dann im Normalfall nur noch ein minimales fine tuning notwendig.

 

Wie funktioniert SimBrace® genau? Können Sie das Verfahren am Beispiel einer Skoliose erklären?

Zunächst bekommen wir das Röntgenbild bzw. die Fehlstellung der entsprechenden Gliedmaße vom Arzt vorgegeben. Ziel ist es, von der Fehlstellung in eine Funktionsstellung oder in eine Körpersymmetrie zu kommen. Um das zu erreichen, müssen wir definieren, wieviel Korrekturdruck der Körper benötigt und mit welcher Stellung wir das bestmögliche Korrekturergebnis erzielen können.

Als aller erstes legen wir das Gerät an den Patienten an. Zusammen mit einem Physiotherapeuten wird dann der Rumpf korrigiert bis die gewünschte Funktion und das bestmögliche Ergebnis vorliegen. Diese Stellung wird dann per Scanner digital erfasst und dokumentiert. In einem von uns speziell entwickelten Vorgang wird anschließend das CAD Modell am PC weiter bearbeitet. Danach erstellen wir in modernen CNC Fräsen unsere Korsettmodelle zum Tiefziehen. Im weiteren Produktionsverlauf wird das gleiche Verfahren wie bisher im Kunststofftiefziehen angewendet, um das Korsett fertigzustellen.

 

Wie sind die Orthesen, die im SimBrace® Verfahren erstellt wurden, im Vergleich zu den herkömmlichen Orthesen beschaffen?

Was die Materialien betrifft sind sie genau gleich beschaffen. Der Unterschied liegt darin, dass die Funktionsstellung der mit SimBrace® angefertigten Orthese aufgrund der Simulation optimal ist.

 

Wer hat dieses Verfahren entwickelt und wie kam es dazu?

Mein Team und ich haben SimBrace® in Zusammenarbeit entwickelt. Immer wieder standen wir während der Gipsabdrucknahme vor dem Problem, dass wir zum Eruieren der maximalen Korrektur eigentlich mehr Hände benötigt hätten als uns zur Verfügung standen. Um einen besseren Start in die Orthesenversorgung zu erhalten, haben wir das SimBrace® Verfahren entwickelt.

 

Hat SimBrace® auch etwas mit dem Design der Orthese zu tun?

Die Designmöglichkeiten sind beim SimBrace® Verfahren zweitrangig. Diese setzten wir verstärkt in der Printtechnik um. Bei SimBrace® handelt es sich dagegen um ein Verfahren, das die maximale Funktion der Orthese simuliert bevor sie gebaut wird. Ob man die Orthese im Endeffekt digital oder herkömmlich anfertigt, welche Farbe oder welches Muster sie hat etc. ist für dieses Verfahren nicht von Bedeutung.

 

 

Dieses Interview wurde geführt mit Christian Kienzle (Leitung F&E – Pohlig GmbH) · www.simbrace.de